Proteste in Uruguay gegen Beitritt zum Tisa-Abkommen

Großdemonstration und Streik der Gewerkschaften. Mit dem Abkommen soll weltweit der Handel mit Dienstleistungen dereguliert werden

Von Alice Kohn
amerika21

Montevideo. Uruguays Gewerkschaften setzen sich gegen das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, Tisa) zur Wehr, dem das südamerikanische Land nach Plänen der Mitte-links-Regierung beitreten soll. An einer  Demonstration und einem mehrstündigen Streik am vergangenen Donnerstag in Montevideo beteiligten sich neben Aktivisten aus rund 18 Gewerkschaften des Dachverbandes PIT-CNT auch Gruppen der Fuecys (Förderation der Angestellten von Handel und Dienstleistung).

Quelle: afusec


Gewerkschaftsführer Marcelo Abdala wies in seiner Ansprache auf die Verantwortung der Regierung hin. Der PIT-CNT habe keine Probleme mit privaten Firmen, die mithelfen, die Produktivität des Landes zu diversifizieren. Aber „mit denjenigen, die kommen, investieren und dann gehen und nur hohe Kosten verursachen, müssen wir rigoroser sein und eine Gegenleistung für ihre Investition verlangen“. Tisa sei „ein Freihandelsabkommen für Dienstleistungen mit den mächtigen USA, der Europäischen Union und transnationalen Konzernen“. Diese könnten ein Interesse an der Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen in Uruguay haben, warnte er.

Das Abkommen wurde 2012 von den USA initiiert und steht in einer Reihe mit weiteren Freihandelsabkommen wie dem Multilateralen Investitionsabkommen (MAI), dem Anti-Piraterie-Abkommen (Acta) und dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP). Mit Tisa sollen weltweit „Handelshemmnisse“ für den Dienstleistungssektor beseitigt werden. Vorgesehen ist unter anderem, dass öffentliche Dienstleistungen wie die Gesundheits-, Wasser- und Energieversorgung dereguliert und für internationale Anbieter zugänglich gemacht werden. Auch eine weitere Deregulierung der Finanzmärkte ist geplant. Einmal erfolgte Privatisierungen sollen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Die Verhandlungen, an denen derzeit die EU und 23 Regierungen beteiligt sind, die insgesamt 50 Länder vertreten, finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Aus Lateinamerika sind bisher Mexiko, Costa Rica, Kolumbien, Panama, Paraguay und Uruguay dabei.

Scharfe Kritik übt der internationale Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst, Public Services International (PSI), an der geplanten Liberalisierung von Dienstleistungen und sieht in dem Abkommen „einen gezielten Versuch, den Profit der reichsten Unternehmen und Länder der Welt über die Interessen der Menschen zu stellen, die am stärksten auf öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind“. Es verfolge „die alarmierende Zielsetzung, auf der Grundlage gesetzlich verbindlicher Regelungen Investorenrechte zu institutionalisieren und Handlungsspielräume von Regierungen in Bereichen einzuschränken, die nur entfernt mit Handelsfragen zu tun haben“, heißt es im Vorwort zur PSI-Studie „Tisa contra öffentliche Dienste“.

Uruguays Teilnahme an den Tisa-Verhandlungen seit Februar dieses Jahres kam für viele überraschend. Nachdem der US-Kongress für die Beteiligung des Landes gestimmt hatte, waren Vertreter der regierenden Frente Amplio (FA) direkt bei den nächsten Gesprächen am 9. Februar dabei und akzeptierten damit die Ergebnisse der vorangegangen Verhandlungen. Dies läßt vermuten, dass die FA-Regierung diesen Schritt wohl schon seit Längerem vorbereitet hatte und über den Verlauf der vorangegangenen Verhandlungen Bescheid wusste.

Laut der spanischen Nachrichtenagentur EFE hatte Uruguay sich schon im September 2013 um einen Beitritt zu den Verhandlungen beworben. Das wirft die Frage auf, warum die damalige Regierung von Präsident José Mujica die Öffentlichkeit nicht über diese Entwicklung informiert hatte. Die im Regierungsbündnis für internationale Politik zuständigen Senatoren und Berater gaben an, von der Teilnahme an den Tisa-Verhandlungen nichts gewusst zu haben, und beklagen, dass es innerhalb der Koalition keine Diskussion darüber gegeben habe. Mujica rechtfertigte sich indes mit den Worten: „Wenn Uruguay sich verteidigen will, muss es wissen, was da gerade ‘gekocht’ wird. Die großen Mächte machen das sonst unter sich aus und zwingen es uns später auf.“

Ein Beitritt Uruguays zu Tisa brächte auch weiteres Konfliktpotenzial für das regionale Wirtschaftsbündnis Mercosur, dem Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela und ab kommendem Juni auch Bolivien angehören. Bisher nimmt nur Paraguay ebenfalls an den Verhandlungen teil.

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