São Paulo. In Brasilien, dem größten Land Lateinamerikas, sind die Treibhausgasemissionen von 2015 bis 2016 um 8,9 Prozent gestiegen. Damit nahmen die Emissionen im zweiten Jahr in Folge so stark wie seit 2004 nicht mehr zu. Und das, obwohl das Land zurzeit in einer wirtschaftlichen Rezession steckt. Vor allem eine vermehrte Entwaldung und die industrielle Agrarwirtschaft sind dafür verantwortlich. Die neuen Daten entstammen dem Treibhausgas-Prognose-System Seeg der nichtstaatlichen Initiative Observatório do Clima, die am vergangenen Mittwoch in São Paulo im Rahmen einer Studie präsentiert wurden. Seeg kombiniert Regierungs- und Forschungsberichte und berechnet daraus Prognosen für die nationalen Treibhausgasemissionen.
Die brasilianische Treibhausgasproduktion ist trotz des Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts um 3,6 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Damit zeigt sich dort ein ungewöhnliches Phänomen: Im Allgemeinen nehmen die Emissionen mit dem Wirtschaftswachstum zu, da dies wiederum zu mehr Kraftstoffverbrennung führt, sowohl beim Transport als auch bei der industriellen Produktion.
Die Zunahme der Emissionen im letzten Jahr ist vor allem auf die um 27 Prozent gestiegene Abholzung des Amazonaswaldes sowie die Ausweitung der Flächen für Landwirtschaft und Viehzucht zurückzuführen, die generell mit Entwaldung einhergeht. Die „Landnutzungsänderungen“ stiegen um fast ein Viertel und machten insgesamt die Hälfte der nationalen Treibhausgase aus. Traditionell ist die Agrarindustrie für fast 70 Prozent oder mehr der gesamten brasilianischen Emissionen verantwortlich.
Den Verfassern der Studie zufolge sind die Emissionen damit im Jahr 2016 um 70 Prozent höher als der Wert, der zur Erreichung des Klimaschutzziels im Jahr 2020 notwendig sei. Der Leiter von SEEG, Tasso Azevedo, sagte: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Brasilien sein Klimaschutzziel nicht erreichen wird, bis 2020 zwischen 36 und 39 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Wert des Jahres 1990 zu senken.“
Von Jan Marinko
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