Zehn aus ihren Herkunftsländern vertriebene Sportler gehen an den Start. Entscheidung des IOC wird von Experten kritisch gesehen
Rio de Janeiro. Die Sommerspiele in Rio de Janeiro bieten zwei Premieren: Sie finden erstmals in Südamerika statt und eine aus Flüchtlingen bestehende Mannschaft geht an den Start. Unter Federführung der vormaligen kenianischen Langstreckenläuferin Tegla Loroupe, die Chefin des Flüchtlingsteams ist, wurden aus 43 potentiellen Athleten zehn für das olympische Flüchtlingsteam ausgewählt: Zwei Schwimmer aus Syrien, zwei Judoka aus der Demokratischen Republik Kongo, ein Marathonläufer aus Äthiopien und fünf Läufer aus dem Südsudan.
Das Team der geflüchteten Sportler QUELLE: UNHCR/BENJAMIN LOYSEAU |
Das Team wurde in der vergangenen Woche bei einer gemeinsamen Feier des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) von IOC-Präsident Thomas Bach offiziell vorgestellt.
„Wir teilen die Werte von Frieden und Solidarität mit den Vereinten Nationen. Deshalb haben wir dieses Team in Kooperation mit der UN-Vollversammlung geschaffen. Ein Zeichen der Hoffnung für alle Flüchtlinge auf dieser Welt. Sie haben kein Land oder eine Flagge unter der sie starten könnten. Aber jetzt haben sie eine“, so Bach.
Loroupe lobte ihn und das IOC ebenso überschwänglich wie die Athleten ihren Dank ausdrückten. „Wir Flüchtlinge werden eine Botschaft an die Welt senden“, kündigte der syrische Schwimmer Rami Anis an, der in Rio über jeweils 100 Meter Freistil an den Start gehen wird: „Unsere Leidenschaft für unseren Sport starb, das war das Ergebnis der Kriege in unserer Heimat. Unser Leben kehrt nun mit diesem Team zurück.“
Unumstritten ist das Flüchtlingsteam nicht. Es widerspricht nicht nur der Olympischen Charta, sondern birgt auch sportpolitisches Konfliktpotenzial.
Der Journalist Erik Eggers weist in einem Bericht für das ZDF auf eine historische Parallele hin. Im Journal of Olympic History wird berichtet, dass sich eine Vereinigung, die sich für die Rechte der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den sozialistischen Staaten in den Westen geflohenen Athleten einsetze, vor den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki die Teilnahme eines Flüchtlingsteams gefordert hatte. Das Begehren lehnte das IOC damals ab, weil „allein Nationale Olympische Komitees (NOK) Athleten zu den Spielen entsenden“ könnten.
Das Flüchtlingsteam, das unter der olympischen Flagge startet, sieht der Kölner Sporthistoriker Manfred Lämmer daher kritisch. Es handele sich um „nicht weniger als eine Entmachtung der Nationalen Olympischen Komitees, rechtlich ist das äußerst bedenklich“.
Prinzipiell folgt auch das Ehrenmitglied des IOC, Walther Tröger dieser Ansicht, der zudem auf die sportpolitische Brisanz aufmerksam macht. „Das Ganze funktioniert nur, weil die Nationalen Olympischen Komitees, aus deren Gebieten die Flüchtlinge stammen, nicht opponieren.“