Eine große Reform der Sozialversicherung soll die öffentliche Daseinsvorsorge in Brasilien drastisch reduzieren
Über eine „Brücke in die Zukunft“ möchte Brasiliens Staatschef Michel Temer seine Landsleute führen. Diesen Namen gab der damalige Vizepräsident von der rechtsopportunistischen Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB) dem Programm, das Ende 2015 den Bruch der Koalition mit der Arbeiterpartei (PT) ankündigte. Nur auf dessen Kurs eines „schlanken Staates“ sei ein Ende der Jahrhundertrezession zu erreichen und die Wirtschaft des Landes wieder in Fahrt zu bringen, hieß es.
Zur selben Zeit wurde Temers seit langem korruptionsumwitterter Parteifreund Eduardo Cunha als Präsident der Abgeordnetenkammer installiert. Um dessen Wahl zu sichern, soll damals nach Aussagen Beteiligter mit Wissen Temers viel Geld aus dunklen Geschäften zwischen Politik und Wirtschaft in die Taschen von gleich 140 Abgeordneten geflossen sein. Als Parlamentspräsident ließ Cunha wenig später ein Amtsenthebungsverfahren ohne sachliche Grundlage gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff zu, das von der rechten Mehrheit dort genutzt wurde, um ihren Sturz herbeizuführen, und das Temer an die Macht brachte. Der parlamentarische Putsch, bei dem auch das Oberste Gericht mitspielte, war perfekt.
Cunha mit seinen aufgeflogenen, Millionen Dollar schweren Schweizer Konten war allerdings nicht länger als dafür nötig zu halten. Er musste das Amt aufgeben, flog in hohem Bogen aus dem Parlament und landete wegen Geldwäsche und Bestechung in Untersuchungshaft. Von seinen alten Kumpanen sieht er sich fallen gelassen und droht damit, auszupacken und große Teile der Politikprominenz mit in den Abgrund zur reißen. Dass die sich zum Staat im Staat aufschwingende „Lava Jato“-Ermittlungsgruppe im Korruptionsskandal aus Curitiba, die ihn am Wickel hat, unparteiisch agiert, glaubt auch er nicht. Dass Cunha statt Französisch nun aus dem Blechnapf essen muss, während so viele andere prominente Schmiergeldempfänger auf der Rechten unangetastet bleiben, findet dieser wenig fair. Er kritisiert nun, dass es mit dem brasilianischen Rechtsstaat nicht zum Besten steht. Ein besseres Beispiel dafür bietet allerdings die Treibjagd von Untersuchungsrichter Sérgio Moro und seinen Leuten gegen Expräsident Lula da Silva mit illegalen Methoden und konstruierten Anklagen. Der populäre Politiker von der Arbeiterpartei, der trotz der von den mächtigen Konzernmedien gegen ihn mitgetragenen Verleumdungskampagne in den Umfragen vorn liegt, soll mit allen Mitteln an einem Antritt zu den Präsidentschaftswahlen 2018 gehindert werden.
Von Peter Steiniger/Rotfuchs
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