Brüssel schließt sich Boykott neoliberaler Staaten der Region gegen Caracas an – trotz widersprüchlicher Signale. Beschlüsse ohne Venezuela rechtens?
Buenos Aires. Venezuela soll offenbar nicht an den bevorstehenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Freihandelsverband Mercosur teilnehmen. Das gab der Chef einer EU-Delegation in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, Fracisco Assis, bei einer Pressekonferenz bekannt. Die Situation mit Venezuela sei „schwerwiegender“, sagte Assis bei dem Besuch in Buenos Aires im Beisein der argentinischen Außenministerin Susana Malcorra. Das südamerikanische Land nehme „leider nicht an dem Verhandlungsprozess teil, weil es nicht Teil des entsprechenden Abkommens ist“.
Malcorra bezeichnete das geplante Freihandelsabkommen als „strategisch für die EU und die vier Länder, die Teil des Mercosur sind“. Damit schloss sie das fünfte Mitglied, Venezuela, öffentlich aus. Die neuen Rechtsregierungen in Argentinien und Brasilien hatten sich in einem umstrittenen Prozess gegen die anstehende Übergabe der Mercosur-Präsidentschaft an Venezuela ausgesprochen und die Präsidentschaft kollektiv übernommen. Die neoliberale Regierung von Paraguay unterstützt diesen Kurs, die Mitte-links-Regierung von Uruguay hat sich der rechten Mehrheit angepasst. Das linksregierte Venezuela ist allerdings nach wie vor rechtmäßiges Mitglied des Bündnisses.
Die Frontstellung der rechten Mehrheit gegen Venezuela, das zum Freihandel mit Europa eine kritische Haltung einnimmt, provoziert weiterhin Kritik in der Region und in Europa. Der spanische Linkspolitiker und Vizepräsident der Außenpolitischen Kommission des EU-Parlaments, Javier Couso, bekräftigte seine Position, nach der ein mögliches Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur den Interessen der Menschen auf beiden Seiten widersprechen würde. Jedem Land stehe zu, entsprechende Abkommen zu unterzeichnen, sagte Couso bei einem Lehrvortrag in der Militärakademie von Venezuela mit dem Titel „Die Europäische Union: ein neoliberales Projekt und seine Auswirkung auf die internationale Sicherheit“. Couso zeigte sich überzeugt, dass (das geplante EU-Mercosur-Abkommen) der Integration souveräner Nationen abträglich ist, ich sehe es eher als einen feindlichen Akt.“ In Argentinien wird diese Kritik von den großen Gewerkschaftsverbänden unterstützt.
Die Außenminister von Argentinien, Brasilien und Paraguay sowie der Vizeaußenminister von Uruguay hatten sich am 22. September in der paraguayischen Hauptstadt Asunción getroffen, um ein Handelsangebot an die EU zu erörtern. Eine weitere Zusammenkunft gab es am 27. Oktober in der nordkolumbianischen Hafenstadt Cartagena de Indias.
Venezuela bezeichnet diese Parallelagenda während seiner ursprünglich vereinbarten Mercosur-Präsidentschaft als unrechtmäßig. In einem Kommuniqué bekräftigte das Außenministerium in Caracas, dass man zu keinem Treffen in Cartagena de Indias eingeladen habe. Nach Artikel 12 des Vertrages von Asunción und dem Artikel 5 des Ouro-Preto-Protokolls dürfe alleine Venezuela als Inhaber der Präsidentschaft zu offiziellen Treffen einladen. Zwar kann die Regierung von Präsident Nicolás Maduro gegen die Politik der Ausgrenzung derzeit wenig unternehmen, allerdings könnte sie etwaige Verträge womöglich rechtlich anfechten.
Von Harald Neuber
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