Umstrittenes Gedenken: US-Präsident lobt Kolumbus für „Heldentaten“. In Lateinamerika Kritik am Kolonialismus und Gedenken an indigenen Widerstand
Washingtion/Madrid/Caracas/Quito u.a. Am gestrigen 12. Oktober hat sich zum 525. Mal der Tag der Ankunft von Christoph Kolumbus im Jahr 1492 auf dem amerikanischen Kontinent gejährt. Die umstrittene Figur des Seefahrers sorgt für äußerst unterschiedliche Reaktionen vor allem in den spanischsprachigen Ländern. Nicht weniger umstritten ist auch der Name des Feiertages. Während in Spanien die „Fiesta Nacional de España“ als Nationalfeiertag mit einer Militärparade unter Anwesenheit aller hochrangigen Politiker sowie der Königsfamilie zelebriert wird, begeht man an diesem Datum in Venezuela und Nicaragua den „Tag des indigenen Widerstands“. Ecuador feiert den „Tag der Interkulturalität und der Plurinationalität“. In den USA wird am „Kolumbustag“ der Errungenschaften des Eroberers gedacht. US-Präsident Donald Trump hob in einer Rede die „fundamentale Kursänderung der Menschheitsgeschichte und die Wegbereitung für unsere großartige Nation“ durch Kolumbus hervor.
Im Jahr 1913 beschloss Faustino Rodríguez-San Pedro, der Vorsitzende der Ibero-Amerikanischen Vereinigung, den 12. Oktober als „Fest der Rasse“ zu würdigen, um den „Entdecker Amerikas“ zu ehren und „die dadurch ermöglichte geistige Nähe zwischen der zivilisierten Nation und den Lebensformen auf dem amerikanischen Boden“ zu feiern. Kurz darauf haben auch viele Staaten in Amerika diesen Tag zur offiziellen Feier erklärt – Kolumbien im Jahr 1939, Chile 1922 und die USA 1937.
Seit langem mehrt sich jedoch Kritik am Gedenken. In den USA wurden in diesem Jahr bereits im Vorfeld des „Kolumbustag“ Statuen des Eroberers beschädigt und mit Aufschriften wie „Massenmörder“ verziert. In Washington bekam sein Denkmal sogar Polizeischutz. In vielen lateinamerikanischen Ländern rufen soziale Organisationen zu einem kritischen Umgang mit der Geschichte auf. In Caracas bezeichnete der venezolanische Verteidigungsminister Vladimir Padrino López die Eroberung als „Beginn einer 525 Jahre dauernden Kolonisierung“ und rief zu Widerstand auf: „Den selben Widerstand leben wir seit 525 Jahren, immer noch versuchen sie, uns unserer Freiheit zu berauben“. Im Jahr 2002 hatte der damalige Präsident Hugo Chávez per Dekret angeordnet, den Jahrestag dem Kampf der Indigenen gegen die von Kolumbus angeführte Invasion zu widmen. Hervorgehoben wird dabei jährlich die Verantwortung der Kolonialmächte für Massaker, Plünderung und kulturelle Enteignung. In Bolivien wurde zum „Día de la Decolonialidad“ (Tag der Dekolonialisierung) eine Gedenkveranstaltung für die ermordeten Indigenen abgehalten.
Von Jaroslav Kanopka, Ani Dießelmann
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