Das derzeitige gesellschaftspolitische Situation in Venezuela ist zerrissen, tief korrumpiert und höchst chaotisch
Es ist unmöglich die derzeitige Krise in Venezuela zu verstehen, ohne den Zusammenhang einiger Faktoren, die sich „im Inneren“ abspielen und von den großen Medien nicht erklärt werden, zu analysieren. Wir stellen sieben Schlüsselfaktoren der aktuellen Krise vor, durch die sich herausstellen wird, dass das aktuelle Geschehen im Land nicht nachvollzogen werden kann, wenn man die Eingriffe des Auslandes nicht berücksichtigt. Zudem wird deutlich, dass der Begriff „Diktatur“ weder auf Venezuela zutrifft, noch eine regionale Besonderheit dieses Landes ist. Zugleich erläutern wir, dass der Sozialvertrag, die Institutionen und die Rahmenbedingungen der formellen Wirtschaft aus dem Ruder laufen. Die Zukunft und die politischen Auslegungen der aktuellen Situation werden mittels Gewalt gelenkt. Dies geschieht anhand einer ganzen Reihe von informellen, ungewöhnlichen und nicht offensichtlichen Mechanismen. Außerdem stellen wir fest, dass der gemeinsame Horizont beider politischer Lager neoliberal ist und das Land vor einer historischen Krise des eigenen Rentenkapitalismus steht; und dass die Gemeinden, die popularen Organisationen und die sozialen Bewegungen mit einer zunehmenden Aushöhlung des Sozialgefüges konfrontiert sind.
Der Umgang, den Venezuela in den großen internationalen Medien erfährt, ist zweifelsohne einzigartig auf der Welt. Außer Frage steht, dass es zu viel Schwarzweißmalerei, zu viele Verfälschungen, Parolen, Manipulationen und Auslassungen gibt.
Fern der törichten Darstellungen, in denen mithilfe des medialen Neusprechs alles, was im Land passiert mit Schlagworten wie „humanitäre Krise“, „Diktatur“ oder „politsche Gefangene“ betitelt oder aus der heroischen Erzählweise eines Venezuela des „Sozialismus“ und der „Revolution“, die alle Ereignisse im Land als „Wirtschaftskrieg“ oder „imperialen Angriff“ interpretiert, gibt es viele Themen, Subjekte und Prozesse, die unsichtbar und weit weg, aber für die Zusammensetzung des nationalen politischen Szenario von grundlegender Bedeutung sind. Es ist unmöglich, die derzeitige Krise in Venezuela zu verstehen, ohne die Faktoren, die sich „im Inneren“ entwickeln, insgesamt zu analysieren.
Das Kriterium des Handelns und Interpretierens, das auf der „Freund-Feind“-Logik fußt, steht eher für einen Disput zwischen den Eliten der politischen Parteien und Wirtschaftsgruppen als für die fundamentalen Interessen der Arbeiterklasse und die Verteidigung der Gemeingüter. Es ist notwendig, die Entwicklung der Krise und des Konflikts umfassend zu betrachten um so die Koordinaten für die Überwindung der derzeitigen Situation zu finden.
Wir stellen sieben Schlüsselfaktoren für ein Verständnis vor, indem wir nicht nur den Disput zwischen Regierung und Opposition, sondern auch die Entwicklung von Prozessen innerhalb der politischen Institutionen, der sozialen Strukturen und der ökonomischen Gefüge analysieren. Gleichzeitig werden die Komplexitäten des Neoliberalismus und des Staats- und Regierungsführung im Land verdeutlicht.
Von Emiliano Terán Mantovani
Übersetzung: Sebastian Schebler
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