Grüne und Linke wollen Einrichtung einer deutsch-chilenischen Kommission. Gremium soll zur Klärung der Verbrechen in der Deutschensiedlung beitragen
Berlin. Im Bundestag soll noch vor Ende der Legislaturperiode im September ein Antrag zur Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Foltersiedlung Colonia Dignidad in Chile eingebracht werden. Das Schicksal der Opfer dieser Sekte bewegt bis heute politische Akteure und Menschenrechtsorganisationen in Chile und Deutschland. Denn obgleich die Colonia Dignidad sich vor einigen Jahren aufgelöst hat, bestehen zahlreiche Strukturen weiter, Täter entziehen sich weiterhin der Strafe. Mindestens einer der Verantwortlichen – der damalige Sektenarzt Hartmut Hopp – ist vor einigen Jahren nach Deutschland geflohen und konnte so bis heute eine Haftstrafe vermeiden.
Die Colonia Dignidad war 1961 von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Deutschen Paul Schäfer gegründet worden. Der Anhänger evangelikaler Strömungen war in das südamerikanische Land geflohen, nachdem die deutsche Staatsanwaltschaft gegen ihn schon damals wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ermittelte. Wegen entsprechender Vergehen war er gut zehn Jahre zuvor bereits als Jugendbetreuer von der evangelischen Kirche gekündigt worden.
Die Colonia Dignidad – ein bis zu 30.000 Hektar großes Areal in Zentralchile – diente Schäfer noch bis vor wenigen Jahren als Zentrale für sein Sekten- und Wirtschaftsnetzwerk, das auch über politische Kontakte verfügte. Parallel zur Etablierung der Colonia Dignidad nahm Schäfer zu rechtsextremen Gruppierungen in Chile Kontakt auf, ehemalige Nazis – einschließlich ranghoher Kriegsverbrecher – gingen in der Siedlung ein und aus. Die politischen Kontakte führten nach dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende im Jahr 1973 dazu, dass die Colonia Dignidad als Folter- und Vernichtungslager für Widerstandskämpfer genutzt wurde.
Von Harald Neuber
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