Widerstand gegen Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten und geplante Rentenkürzung. Gewerkschaftsdachverband CUT spricht von 40 Millionen Teilnehmenden
Brasília.Von Porto Alegre bis Belém und von Recife bis Cuibá fanden in insgesamt 130 Städten von Brasilien am 28. April Streiks und Protestaktionen mit massenhafter Beteiligung statt. Alle großen Gewerkschaften und zahlreiche soziale Bewegungen hatten zum ersten Generalstreik seit 21 Jahren aufgerufen. Der Ausstand richtete sich vor allem gegen die am Donnerstag im Abgeordnetenhaus verabschiedete Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte und die von der De-facto-Regierung von Michel Temer geplanten Änderungen im staatlichen Rentensystem.
„Dies war der größte Generalstreik“, sagte Vagner Freitas, Präsident des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT (Central Unica dos Trabalhadores). Die Kritik an der Arbeits- und Rentenreform habe die Gewerkschaften wieder zusammengeführt, die nach der Absetzung der gewählten Präsidentin Dilma Rouseff aufgrund von politischen Differenzen auf Distanz zueinander gegangen waren. Während es die meisten Gewerkschaften vermieden, konkrete Zahlen zur Beteiligung am Generalstreik zu nennen, sprach Freitas von 40 Millionen Streikenden.
Die stärkste Mobilisierung fand in São Paulo statt. In der Industriemetropole und den umliegenden Städten des Großraums São Paulo folgten die traditionell gut organisierten Metallarbeiter, Beschäftigte der Ölindustrie, des öffentlichen Dienstes und Lehrkräfte massenhaft dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung. Sowohl der Nahverkehr als auch die wichtigsten Ausfallstraßen waren in weiten Teilen der Stadt über Stunden lahm gelegt. Der Präsident der CUT in São Paulo, Douglas Izzo, sprach von einem „totalen Erfolg“. Er erwarte, „dass diese starke Mobilisierung die Abgeordneten unter Druck setzen wird, die Reformen des Arbeitsrechts im Senat zurückzunehmen und die Rentenreform nicht fortzusetzen. Mit diesem Streik macht das Volk deutlich, dass es die Reformen nicht will, wie es Umfragen bereits gezeigt haben. Der Kongress wurde mit den Stimmen des Volkes gewählt und kann dessen Willen nicht ignorieren. Über den Präsidenten können wir dies nicht sagen, denn er ist ein Putschist, er hat keine Stimmen erhalten.“
Neben den Gewerkschaften zeigten auch die sozialen Bewegungen in São Paulo eine starke Präsenz, vor allem die Bewegung der obdachlosen Arbeiter (MTST). Sechs Aktivisten des MTST, die an einer Straßenblockade der Ausfallstraße Radial Leste teilnahmen, wurden in den Morgenstunden verhaftet und unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung festgehalten. Guilherme Boulos, Koordinator des MTST, bezeichnete die Inhaftierten als „die ersten politischen Gefangenen des Streiks“. Parlamentarier, Rechtsanwälte und Vertreter sozialer Bewegungen forderten noch am Freitag vor der Polizeistation ihre Freilassung.
Als in den Abendstunden ein Demonstrationszug, an dem auch sogenannte Schwarze Blocks teilnahmen, versuchte, vor dem Privatwohnsitz von Präsident Temer gegen dessen Politik zu protestieren, setzte die Polizei Gummigeschosse, Blendgranaten und Tränengas ein, um den Protest zu beenden. Schwarze Blocks bestehen aus meist vermummten, militant agierenden Demonstranten.
Von Claudia Fix
weiterlesen bei amerika21