Montevideo. Das Mitte-links-Regierungsbündnis Frente Amplio in Uruguay und die größte Oppositionspartei, die Nationalpartei, fordern die beschleunigte Verabschiedung des Gesetzes gegen Frauenmord. Der entsprechende Entwurf wurde bereits Anfang 2015 im Parlament bearbeitet, liegt jedoch seitdem in den Schubladen einer Kommission.
Auslöser war der neuerliche Totschlag an einer Frau durch ihren Ehemann, der sich anschließend der Polizei stellte. Im Jahr 2016 sind laut Statistik des uruguayischen Innenministeriums 22 Frauen ermordet worden. Seit Jahresbeginn sind es nun fünf Opfer, doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Im Vorspann zum Gesetzesprojekt heißt es, dass im Jahr 2015 durchschnittlich 85 Fälle von Gewaltsituationen gegen Frauen pro Tag gemeldet wurden, 17 pro Minute. Im Verhältnis zur drei Millionen Bevölkerung Uruguays ist die Zahl der Frauenmorde ungewöhnlich hoch, weltweit eine der höchsten.
Das Innenministerium hat 2013 eine auf häusliche Gewalt spezialisierte Polizeiabteilung zusammen mit dezentralisierten Unterabteilungen in den Stadtvierteln geschaffen. Hier können sich die Familien in speziellen Kontakt- und Anlaufstellen beraten lassen und Vorfälle anzeigen. Es gibt Protokolle für die örtliche Polizei, die Männer kontrollieren soll, gegen die Anzeigen vorliegen. Doch diese werden von den Sicherheitsbehörden nicht immer strikt eingehalten.
Auch die ersten elektronischen Fußfesseln für Gewalttäter wurden damals zuerst als Versuchsprojekt getestet, doch dann fest eingeführt. In einem zentralen Beobachtungszentrum wird kontrolliert, ob die wegen häuslicher Gewalt angezeigten Männer die richterlich angeordnete „Grenze“ um den Wohnsitz der Frau respektieren. Falls Gefahr besteht, wenn der Mann diese Grenze überschreitet oder die Fußfessel entfernt wird, schrillt der Alarm. Dann soll die Polizei sich sofort zum Wohnort des potentiellen Opfers begeben und gleichzeitig den unter Beobachtung stehenden Mann suchen. Im Jahr 2016 gab es 815 Anwendungen, die doppelte Anzahl wie im Vorjahr. In allen Fällen, mit einer Ausnahme, wurden Mord und Totschlag verhindert. Doch in den Situationen, in denen das Gericht keine ausreichenden Gründe für die Maßnahme sah, wurden die bedrohten Frauen umgebracht.
Dennoch gibt es auch Kritik daran. In kleinen Orten können solche Grenzen von 800 bis 1.000 Meter Abstand kaum eingehalten werden, oft liegen die Wohnungen näher beieinander. Auch der generelle Überwachungscharakter birgt die Gefahr einer Ausweitung aus z.B. politischen Gründen in sich. Doch heute rufen die Opfer und deren Familien nach wirkungsvolleren Methoden gegen die häusliche Gewalt, deren Todesfolgen anzahlmäßig alle anderen gewaltsamen Todesursachen bei weitem übersteigen.
Von Georg Stein, Buenos Aires
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