Regierung Macri erlässt Wirtschaftskonsortium der Präsidentenfamilie 98,87 Prozent ihrer finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat
Buenos Aires. Gegen den amtierenden argentinischen Präsidenten Mauricio Macri, seinen Kommunikationsminister Oscar Aguad und den hohen Beamten des Ministeriums Juan Carlos Mocoroa sind mehrere Strafanzeigen eingebracht worden. Es besteht der Verdacht, dass eine Einigung zwischen dem Wirtschaftskonsortium der Präsidentenfamile und dem Staat hinsichtlich offener Gläubigerforderungen in betrügerischer Absicht zum Nachteil des Staates erfolgt sei.
Auslöser war ein Gutachten, das die Staatsanwältin Gabriela Boquín im Dezember 2016 veröffentlichte. Dieses stellt fest, dass die im Juni des vergangenen Jahres erzielte gerichtliche Einigung hinsichtlich offener Forderungen rund um den Verkauf der argentinischen Post an die Macri-Gruppe in den Neunziger Jahren einem Schuldenerlass gegenüber dieser von knapp 99 Prozent gleichkommt. Der Verhandlungsführer für den Staat, Juan Carlos Mocoroa, sagte über die Einigung, er sei lediglich den von oben erteilten Anweisungen gefolgt.
Der Rechtsstreit zwischen dem argentinischen Staat und der Macri-Gruppe besteht seit dem Jahr 2001. Im Zuge der neoliberalen Privatisierungen des damaligen Präsidenten Menem hatte die Macri-Gruppe im Jahr 1997 die Konzession für die argentinische Post erworben. In den folgenden sechs Jahren wurden tausenden Mitarbeiter entlassen, während die Preise für die Dienstleistungen zu den höchsten weltweit zählten. Dennoch schlitterte das Unternehmen in Konkurs. Im Jahr 2001 hatten sich gegenüber dem Staat Schulden in der Höhe von 296 Millionen Pesos angehäuft, was damals 296 Millionen US-Dollar entsprach. Im Jahr 2003 lehnte die Regierung von Néstor Kirchner bereits ein unvorteilhaftes Rückzahlungsangebot ab. Seither waren die Verhandlungen ohne weitere Ergebnisse geblieben.
Die nunmehrige Einigung zwischen der Regierung Macri und dem Familienkonsortium der Macris sieht die Rückzahlung von 296 Millionen Pesos über einen Zeitraum von 15 Jahren mit einem jährlichen Zinssatz von sieben Prozent vor. Die Hälfte der Schuld soll jedoch erst in den letzten beiden Jahren beglichen werden.
Das von der Staatsanwältin Boquín vorgelegte Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der Macri-Gruppe mit dieser Einigung 98,87 Prozent ihrer eigentlichen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem argentinischen Staat erlassen werden. Nach der Aufhebung der Dollar-Konvertibilität im Jahr 2003 hat der Peso gegenüber dem Dollar um das sechzehnfache seines Werts verloren. Zudem sieht die Einigung keine Zinsen für den seit Beginn der Rechtsstreitigkeit im Jahr 2001 verstrichenen Zeitraum vor, obwohl die jährliche Inflation in Argentinien zuletzt weit über 30 Prozent betrug. Auch die weitere Verzinsung bis zur gänzlichen Abzahlung der Schuld entspreche nicht den üblichen Zinssätzen. Der Professor für Wirtschaftsrecht und ehemalige Richter Eduardo Favier Dubois wies darauf hin, dass bei der Schuldenermittlung nicht der nominelle Wert zum Zeitpunkt des Eingehens der Schuld, sondern der reelle Wert zum Zeitpunkt der Rückzahlung in Betracht gezogen werden muss. Deshalb müsse die Geldentwertung im betreffenden Zeitraum entsprechend berücksichtigt werden.
Von Christian Dürr
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