Caracas. Venezuelas Parlament hat Anfang dieser Woche erklärt, Präsident Nicolás Maduro habe sein Amt wegen Untätigkeit de facto aufgegeben und sei daher nicht mehr als Präsident des südamerikanischen Landes anzuerkennen. Mit 106 Stimmen stellte die oppositionelle Mehrheit formell die „Abwesenheit“ Maduros fest, da er die wirtschaftliche und soziale Lage im Land vernachlässigt habe und zudem für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sei.
Der Beschluss der Nationalversammlung hat jedoch nur symbolische Bedeutung. Das Oberste Gericht des Landes erklärte gestern alle unter dem neuen Parlamentsvorsitzenden Julio Borges gefällten Entscheide für ungültig, da dieser mit den Stimmen von drei gerichtlich suspendierten Parlamentariern gewählt worden war.
Unabhängig davon ist der Entscheid der Nationalversammlung höchst umstritten. Venezuelas Verfassung kennt kein parlamentarisches Amtsenhebungsverfahren gegen den Präsidenten. Verschiedene Juristen haben deshalb die Abstimmung im Parlament kritisiert, so etwa der Verfassungsrechtler César Tillero Montiel und die Juristin Elsie Rosales, die beide darauf verwiesen, dass die Bedingungen für die Erklärung einer Amtsaufgabe in der Verfassung klar geregelt sind. Zwar ist in Artikel 233 der Verfassung vorgesehen, dass die Nationalversammlung ein „Verlassen des Amtes“ des Präsidenten feststellen kann. Damit sei jedoch ein freiwilliger Rücktritt des Präsidenten gemeint, führte Rosales im staatlichen Fernsehen aus. Der bekannte Politikwissenschaftler Luis Vicente León äußerte sich auf Twitter: „Ich denke, sie irren sich, wenn sie glauben, dass der Präsident nicht regiert.“
Von Philipp Zimmermann
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