Kronzeuge beschuldigt Interimspräsidenten von Brasilien der Korruption

Michel Temer und weitere hochrangige Politiker laut Kronzeugen in Korruption um Baufirma Odebrecht verwickelt. Regierung will seine Aussage für ungültig erklären

Brasília. Die De-facto-Regierung unter dem Interimspräsidenten Michel Temer in Brasilien hat im Ringen um die politische Vorherrschaft nach dem Sturz der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff einen schweren Rückschlag erlitten. Im Rahmen der Ermittlungen zur Korruption um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras ist vergangene Woche der frühere Direktor für Auslandsbeziehungen des Konzerns, Cláudio Melo Filho, als Kronzeuge vernommen worden. Dabei belastete er Temer sowie Dutzende Mitglieder von dessen Regierung sowie aus den Reihen der Opposition schwer. Diese sollen im großen Umfang von illegalen Geldern profitiert haben.

 

Gerät weiter unter Druck: Brasiliens nicht gewählter Präsident Temer. Hier während seiner Ansprache bei der Verleihung des "Prêmio Lideres do Brasil" am Montag
Gerät weiter unter Druck: Brasiliens nicht gewählter Präsident Temer. Hier während seiner Ansprache bei der Verleihung des „Prêmio Lideres do Brasil“ am Montag – QUELLE: BETO BARATA / PR LIZENZ: CC BY-NC 2.0

Laut Melo Filho habe Temer, sein Präsidialamtsleiter, Eliseu Padilha, sowie der Staatssekretär für Investitionen, Moreira Franco, Millionen Reais vom Bauunternehmen Odebrecht gefordert. Im Gegenzug habe die Firma „Entgegenkommen“ bei staatlichen Bauaufträgen erwartet, wie lokale Medien berichten. Melo Filho ist der erste hochrangige Ex-Petrobras-Funktionär, der sich im Rahmen einer Kronzeugenregelung zu umfassenden Aussagen bereit erklärt hat.

Lateinamerikas größtes Bauunternehmen, die Construtora Odebrecht, steht mit im Zentrum des Korruptionsskandals um Petrobras. Sein Chef, Marcelo Odebrecht, war bereits Anfang März 2016 wegen Korruption und Anführung des Kartells um Bauaufträge des Ölkonzerns zu 19 Jahren Haft verurteilt worden. Seine Kooperation mit den ermittelnden Behörden führt seitdem zu weiteren Ermittlungen und Verhaftungen hochrangiger Politiker und Funktionäre.

Melo Filho hat laut Medienberichten vor den Untersuchungsrichtern auch das Schema zur Verteilung der Gelder unter den Politikern beschrieben. Demnach wurden mit den Beträgen aus Schwarzgeldkonten etliche Wahlkämpfe von Parlamentariern aus Abgeordnetenhaus und Senat finanziert. Noch müsse Melo Filho dem Obersten Gericht die Belege liefern. Seine Aussage hingegen richte bereits jetzt großen Schaden in der aktuellen Regierung an, so die Zeitung Valor. Temer war nur durch ein Amtsenthebungsverfahren gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff an die Macht gekommen, das unter anderem mit dem Vorwurf der Korruption begründet wurde.

Den Anschuldigungen nach haben sich neben Temer auch die Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Rodrigo Maia, und des Senats, Renan Calheiros, sowie mehrere Dutzend Parlamentarier aus Oppositions- und Regierungsparteien an den Geldern des Ölkonzerns bereichert.

Von Mario Schenk
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