Kleinbauern fordern Land zurück. Massive Polizeigewalt bei Räumung von rund 200 Kleinbauernfamilien. Auch Kirche protestiert und mahnt Agrarreform an
Asunción. Kleinbauern aus dem Departament Caaguazú in Paraguay haben vergangenes Wochenende in der Hauptstadt gegen die gewaltsame Enteignung ihrer Ländereien demonstriert und deren Rückgabe von Regierung und Justiz gefordert. Zuvor hatte Mitte September ein massives Aufgebot von 1.200 Polizisten die Räumung des seit Jahrzehnten von rund 200 Kleinbauernfamilien bewohnten Landes gewaltsam durchgesetzt.
Laut Augenzeugenberichten von Betroffenen umzingelten die Polizisten die Dorfbewohner, misshandelten und vertrieben sie von ihrem Land und zerstörten dabei willkürlich alles, was ihnen in den Weg kam. Die Polizei sei rücksichtslos und gewalttätig selbst gegen Kinder, Frauen und alte Menschen vorgegangen, als sich die Familien der Zwangsräumung widersetzten. Die Kleinbauern hegen den starken Verdacht, dass die richterliche Anordnung zur polizeilichen Zwangsräumung auf Veranlassung von und finanziert durch brasilianische Siedler erwirkt wurde.
Der Landkonflikt in der 2.220 Hektar großen Siedlung „Colonia Guahory“ begann bereits vor zwei Jahren. Sie liegt 300 Kilometer östlich von Asunción im Distrikt Tembiaporã des Departements Caaguazú. Die Region ist stark von Landkonflikten mit brasilianisch-stämmigen Siedlern geprägt, die seit den 1970er Jahren nach Paraguay drängen, um dort für sie vergleichsweise billig großflächig Ländereien für den Anbau von (überwiegend genmanipuliertem) Soja sowie Viehzucht zu erwerben. Der aktuelle Streitfall erstreckt sich über 1.200 Hektar Land, das seit Jahrzehnten von paraguayischen Kleinbauernfamilien besiedelt, aber nie effektiv zum Schutz mit Eigentumstiteln versehen wurde. Die Kleinbauern zweifeln aufgrund der grassierenden Korruption im Agrarsektor an der Echtheit der Landtitel, die die später hinzugekommenen brasilianischen Siedler präsentieren. Es kommt jüngst immer wieder zu aggressiven Übergriffen der brasilianischen Siedler gegen die ansässigen Familien.
Auch die katholischen Bischöfe Paraguays haben die unverhältnismäßige Gewaltanwendung der Polizei scharf verurteilt, die sich gegen die Landarbeiterfamilien als eine der ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen richtete und deren Grundnahrungsmittelproduktion zerstörte. Sie forderten, die unklaren Eigentumsverhältnisse endlich zu klären und die seit Jahrzehnten dringend nötige integrale Agrarreform zu verwirklichen.
Die Auseinandersetzung hat breites Echo in Medien und Politik gefunden. Die Kleinbauern lehnen einen Vorschlag des Präsidenten des Nationalen Instituts für ländliche Entwicklung und Land (Indert), Justo Cárdenas ab, auf andere Ländereien umgesiedelt zu werden, da sie keinen Grund sehen, ihr angestammtes, langjährig beackertes Land zu verlassen. Laut Indert könnten in der Colonia Guahory selbst aber nur 25 Grundstücke enteignet werden, weil sie aktuell im Besitz von Personen sind, die laut Verfassung nicht zu den begünstigten Gruppen der Agrarreform zählen – das reicht aber nicht für eine Wiederansiedlung der 200 Kleinbauernfamilien. Das Indert trägt indes Mitschuld an den Konflikten, da es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder überlappende, konfligierende Landtitel vergeben und dubiose Landtransaktionen durch Eintragung de facto legalisiert hat.
Von Ulrike Bickel
weiterlesen bei amerika21