Drastische Warnhinweise, keine Tabakwerbung, kein öffentliches Rauchen: Uruguay ist für strikte Rauchergesetze berüchtigt. Mit Cannabis pflegt das Land einen liberaleren Umgang. Doch ein Mekka für Kiffer ist es noch lange nicht.
Uruguay versteht bei Alkohol und Tabak keinen Spaß und setzt auf drastische Warnhinweise – wie diese mannshohen Glimmstängel mit Totenkopf-Symbol in der Innenstadt von Montevideo.
Der „Frente Amplio“ versteht keinen Spaß. Jedenfalls nicht, wenn es um Alkohol und Tabak geht. In den elf Jahren, in denen die „Breite Front“ in dem Zwei-Kammer-Parlament Uruguays über die absolute Mehrheit verfügt, hat das linke, aus mehr als vierzig Parteien und Gruppen bestehende Bündnis nicht nur die Promillegrenze für Alkohol im Straßenverkehr von 0,8 über 0,3 auf mittlerweile 0,0 gesenkt.
Uruguay versteht bei Alkohol und Tabak keinen Spaß und setzt auf drastische Warnhinweise – wie diese mannshohen Glimmstängel mit Totenkopf-Symbol in der Innenstadt von Montevideo. © REUTERS |
Auch die Vorschriften für (oder besser: gegen) Tabakwerbung sind derartig prohibitiv, dass der Philip-Morris Konzern („Marlboro“) das Land vor dem „Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsentscheidungen“ (ICSID) der Weltbank im Jahr 2010 wegen Geschäftsschädigung auf Schadenersatz verklagt hat. Eines der Argumente: Die ekelerregenden Bilder, mit denen in Uruguay auf Zigarettenschachteln vor den Gefahren des Rauchens gewarnt werden müsse, dienten nicht der Warnung, sondern der Abschreckung.
Juan A. Roballo, der Vorsitzende des „Nationalen Drogenrates“ des in vielerlei Hinsicht kleinsten Landes Südamerikas, ficht dieser Vorwurf nicht an. Im Gegenteil. Im Gespräch mit dieser Zeitung zeigt sich der Mittvierziger stolz darauf, dass es der „Frente“ gelungen sei, mit einer ganzen Serie von Maßnahmen den Anteil der Raucher an der uruguayischen Bevölkerung innerhalb von nur zehn Jahren drastisch zu verringern. In der Tat sprechen die Statistiken des Gesundheitsministeriums eine eindeutige Sprache. Der Anteil der Raucher an der Gesamtbevölkerung ist in Uruguay seit dem Jahr 2005 von 35 auf nunmehr 22 Prozent zurückgegangen.
Uruguay ist Vorreiter in vielen Bereichen
Noch bemerkenswerter ist der Schwund der Raucher unter den Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren. Rauchte vor zehn Jahren noch mehr als jeder fünfte Jugendliche (22,4 Prozent), ist es heute nicht einmal mehr einer von zehn (8,4 Prozent). Kein Wunder, denn das Rauchen in Restaurants und anderen öffentlichen geschlossenen Räumen ist in Uruguay ausnahmslos verboten, die Tabaksteuern sind prohibitiv und Werbung sowie Verkauf stark eingeschränkt. Und wer will schon Zigarrettenschachteln in der Hand halten, in denen von Krebs zerfressene Lippen oder Patienten auf Intensivstationen zu sehen sind?
„Uruguay war auf vielen Politikfeldern immer seiner Zeit voraus“, erläutert Roballo und verweist auf die vor genau hundert Jahren vollzogene Trennung von Staat und Kirche, auf das kostenlose staatliche Schulwesen und eine traditionsreiche Sozialgesetzgebung. Seit dem Amtsantritt des ersten „Frente Amplio“-Präsidenten, des Onkologen Tabaré Vázquez am 1. März 2005, steht auch das Recht auf Gesundheit auf der Agenda, beteuert Roballo – jedenfalls insoweit, als es ein Abwehrrecht gegenüber Gesundheitsgefahren ist, die von Dritten ausgehen.
11.07.2016, von DANIEL DECKERS, MONTEVIDEO