Deutschlands größtes Stahl- und Technologieunternehmen wird für Gesundheitsschäden und Umweltzerstörungen in Brasilien und Peru verantwortlich gemacht
Bochum. Anlässlich der Hauptversammlung von Thyssenkrupp in Bochum hat ein Bündnis von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen von dem Konzern einen „ernstzunehmenden Kurswechsel“ gefordert. Das Unternehmen stehe wegen Umweltverschmutzung in Brasilien in der Kritik, komme seiner Sorgfaltspflicht als Zulieferer nicht nach und exportiere Rüstungsgüter in Krisenregionen, heißt es in einer Pressemitteilung der Nichtregierungsorganisationen (NGO). Die Thyssenkrupp AG ist Deutschlands größtes Stahl- und Technologieunternehmen.
Dem Bündnis gehören die Christliche Initiative Romero, der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika , die Kooperation Brasilien, Stop Mad Mining und Urgewald an.
Der Konzern betreibe im brasilianischen Rio de Janeiro an der Bucht von Sepetiba seit über fünf Jahren das Stahlwerk Thyssenkrupp Companhia Siderúrgica do Atlântico (CSA) mit einer behelfsmäßigen Genehmigung, die im April dieses Jahres endet, sagte Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Eine Verlängerung sei unwahrscheinlich. Der letzte Fortschrittsbericht zeige, dass das Unternehmen eine ganze Reihe der 132 behördlichen Auflagen zur Behebung des toxisch belasteten Stahlwerkstaubs noch nicht erfüllt habe.
Die Bewohner und Fischer von Santa Cruz und der Bucht von Sepetiba haben einen offenen Brief an den Vorstand von Thyssenkrupp verfasst, der auf der gestrigen Hauptversammlung verlesen und übergeben wurde. Mehr als 300 Familien führten Gerichtsprozesse und stritten um Wiedergutmachung für die Verletzung ihrer Grundrechte durch den Konzern. Es gebe unzählige Klagen von Kleinfischereiverbänden, die ihre Rechte und Entschädigungen für die ihnen von Thyssenkrupp zugefügten Schäden einfordern, heißt es darin.
Vor Jahren hatte die brasilianische Staatsanwaltschaft bereits festgestellt, dass es seit Arbeitsbeginn des Werkes zu Luftverschmutzungen in einem Ausmaß gekommen sei, „das die menschliche Gesundheit bedroht“. Bei einer Befragung der vom Staat bestellten Rechtsverteidiger („Defensoria pública“) im Dezember 2013 hatten die Anwohner auf die anhaltende Staubbelastung und daraus folgende Gesundheitsschäden hingewiesen. Die Konzernleitung bestreitet dies entschieden: „Das Werk verursacht keinerlei Gesundheitsrisiken für die örtliche Bevölkerung. Die Einhaltung aller gesetzlichen Emissionsgrenzen wird ständig von mehreren Messstationen überwacht und bestätigt“, heißt es in einer Stellungnahme vom vergangenen Jahr.
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Thyssenkrupp steht zudem als Zulieferer in der Kritik. Zu seinen Sorgfaltspflichten gehöre die vorherige Überprüfung der Abnehmer seiner Produkte, sagte Igor Birindiba Batista vom Netzwerk Kooperation Brasilien. Der Konzern habe technische Ausrüstung an die umstrittene Kupfermine Tintaya Antapaccay in Peru und an den brasilianischen Bergbaukonzern Samarco, unter anderem Rohrleitungen für eine rund 400 Kilometer lange Eisenerzpipeline, geliefert.
Im Rahmen einer staatlichen Untersuchung entnommene Blut- und Urinproben der Anwohner der Kupfermine in Peru hätten erhöhte Konzentrationen von Blei und Quecksilber aufgewiesen. Die Tintaya Antapaccay-Mine wird von Glencore betrieben, der weltweit größten im Rohstoffhandel tätigen Unternehmensgruppe aus der Schweiz.