Mit hoher Qualität und modernen Methoden erobern Fleischproduzenten aus Uruguay den Weltmarkt. Ohne dass der Staat Subventionen ausrichtet, funktioniert die Wertschöpfungskette wie geölt.
Über der sanften Hügellandschaft im Osten Uruguays hebt sich der Morgennebel. Der Himmel ist bewölkt, ab und zu fällt ein Sonnenstrahl auf die braunen Winterwiesen. Hie und da unterbrechen breite Streifen saftigen grünen Grases die Landschaft. Hoch zu Ross inspizieren Vinzenz Thurn, der Unternehmer, und Santiago Márquez, der Verwalter, die Estancia San Juan, den Gutsbetrieb der österreichischen Investorengruppe VTMT. In der Nähe einer Wasserstelle tauchen die ersten Rinder auf, kräftige Tiere der englischen Rassen Black Angus und Hereford oder deren Kreuzungen. Weidezäune unterbrechen immer wieder das Land. Sie ermöglichen das intensivere Beweiden der verschiedenen Koppeln, wo nicht selten zur Überbrückung der Winterzeit frisches Rye-Grass angepflanzt wird.
Rinder in Uruguay geniessen viel Freiraum, so wie hier in Maldonado, 170 km östlich von Montevideo. (Bild: Andres Stapff / Reuters) |
Natürliche Aufzucht
Dem mitreitenden Journalisten erklären die beiden das simple, aber gewinnbringende Geschäftsmodell der Farm. «Wir mästen nicht, wir züchten und ziehen junge Tiere auf», sagt der Verwalter Márquez, den alle nur Santiago nennen und mit Du ansprechen. Das sei zwar risikoreich und arbeitsintensiv, denn Kälbern auf die Welt zu helfen und sie dann aufzupäppeln, sei nicht jedermanns Sache. Die Rinderhaltung auf der Estancia, wo Santiago seit acht Jahren arbeitet, ist, wie fast überall in Uruguay, extensiv. Ganzjährig können sich die Tiere frei bewegen. Sie wachsen unter geradezu idyllischen naturnahen Bedingungen heran. Von Gesetzes wegen ist in der Viehwirtschaft in Uruguay der Gebrauch von Hormonen und Antibiotika sowie aller Arten von antimikrobiellen Stoffen zur Leistungsförderung (AML) verboten.
«Die Rinder sind ständig in Bewegung und fressen ausschliesslich Gras. So wird weniger Oberflächenfett gebildet, dafür aber eine feinere Marmorierung erreicht, und das Fleisch erhält einen intensiveren Geschmack», sagt Santiago. Auf der Farm bleiben die Jungtiere, bis sie etwa 350 kg schwer sind. Dann werden sie an Betriebe verkauft, wo die Endmast stattfindet. Dort wird den Tieren vor allem Mais, Soja oder Sonnenblumenkerne verfüttert. Erreichen sie 480 kg, werden sie geschlachtet. Thurn und sein Unternehmen wollen auch weiterhin bei der Aufzucht bleiben. Ein Grund dafür ist, dass die Endmast relativ kapitalintensiv ist.
Santiago, der 30-jährige Uruguayer im langen blauen Reitermantel, spricht, als ob die ganze Herde sein Eigentum wäre. Mit dem raubeinigen Gaucho alter Zeiten hat er nicht mehr viel gemein. An der Universidad de la Empresa, der privaten Eliteuniversität von Montevideo, studierte er landwirtschaftliche Betriebswissenschaften. Viehzüchter ist er, wie viele andere Uruguayer, mit Leib und Seele.