Mit einem Tor und der darauf folgenden Stille hat er sich in die Geschichtsbücher geschossen: Alcides Ghiggia. 1950 traf er mitten ins brasilianische Herz. Genau 65 Jahre danach ist Uruguays WM-Held gestorben.
Denkmal schon zu Lebzeiten: Alcides Ghiggia (Foto von 2010) |
Im Fußball-Lexikon gibt es nicht viele Worte, deren Definition enger mit dem Leid und Schmerz eines Volkes zusammenhängt als dieses: „Maracanazo“. Zurück geht der Begriff auf den 16. Juli 1950. Im Stadion von Rio de Janeiro wollen 203.849 brasilianische Fans miterleben, wie ihr Nationalteam Weltmeister wird. Bei den euphorischen Gastgebern herrschen nicht Hoffnung oder Illusion, sondern eine feste Gewissheit, dass es so kommen wird.
In der damals noch als Finalrunde der besten Teams ausgespielten Entscheidung benötigen die Brasilianer gegen den Rivalen aus Uruguay nur ein Unentschieden, um den Weltpokal zu gewinnen. In der 80. Minute steht es noch 1:1. Die Stimmung und die Freude im Stadion ist zehn Minuten vor dem Schlusspfiff unbeschreiblich. Die Feier würde ähnliche Ausmaße wie der Karneval annehmen, zu einer Party werden, die Tage, Wochen, vielleicht Monate anhalten kann.
Trockener Schuss ins kurze Eck
Doch dann kommt der Moment, der einen gewöhnlichen Fußballspieler unsterblich macht: Alcides Gigghia kommt über rechts vor das brasilianische Tor und überlegt nicht lange, mit geschlossenen Augen drischt er den Ball aus spitzem Winkel ins Netz. Damit trägt er sich nicht nur in die Geschichtsbücher des uruguayischen Fußballs ein. Sein Treffer geht um die Welt und verletzt den Nationalstolz eines Landes für die Ewigkeit.
Der Lärm im Maracana-Stadion schlägt schlagartig in Stille um. Niemand im Stadion besingt das 2:1 zugunsten der Uruguayer. Die brasilianischen Radioreporter werfen ihre Mikrophone weg und unterbrechen die Berichterstattung des Spiels. Das Drama gräbt sich tief in die Herzen der Brasilianer. Der Stille nach dem Schock folgt die kollektive Klage über diese sportliche Tragödie.
Jahre später sollte der Torschütze stolz über sich selbst sagen: „Nur drei Leute haben es geschafft, das Maracana-Stadion zum Schweigen zu bringen, der Papst, Frank Sinatra und ich“. Gigghia, ein Spieler der nur wenige Male das Trikot von Uruguay getragen hat (12 Spiele), verdiente sich damit einen besonderen Platz in der Geschichte seines Landes, obwohl er auch später für Italien, seine andere Heimat, spielte.
Alcides Gigghia spielte in beiden Ländern für einige der größten Clubs. In Italien war er für Rom und Mailand aktiv, in Uruguay lief er für Peñarol und Danubio auf. Seine Karriere wurde jedoch durch seine Rolle im „Maracanazo“ bestimmt, was für ihn nie eine Belastung war. Ganz im Gegenteil, Gigghia genoss die Rolle des „lebenden Idols“ des Weltfußballs. Dieser Umstand erlaubte ihm zusammen mit seiner Entscheidung, öffentliche Auftritte nicht zu meiden, im kollektiven Gedächtnis präsent zu bleiben.
Staatstrauer in Uruguay
Deshalb hat Uruguay nun ganze drei Tage Trauer zu seinen Ehren verordnet. Am Donnerstag starb Gigghia im Alter von 88 Jahren an einem Herzinfarkt. Auf den Tag genau 65 Jahre nachdem er die Geschichte des “Maracanazo” geschrieben hatte.
Über ihn, dessen Tor ein volles Stadion zum Schweigen brachte und eine Nation in Trauer versetzte, sagte der ehemalige uruguayische Präsident Jose Mujica: „Sein Name ist unauslöschlich, weil er für den größten Triumph steht, den man in ein Geschichtsbuch schreiben kann.“