Buenos Aires. Die Co-Direktorin des nationalen Wissenschafts- und Technologieforschungsrates (CONICET), Dorra Barrancos, hat Gerüchte bestätigt, nach denen die argentinische Regierung die Gelder für das CONICET-Kontingent um über 60 Prozent kürzt. Anstatt 943 – wie im Jahr 2016 – sollen 2017 nur noch 400 neue Personen in das staatliche Wissenschaftsförderprogramm aufgenommen werden, das Forschern erlaubt, sich uneingeschränkt ihren Projekten zu widmen. Nachdem die Forschungsplätze in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht worden waren, fallen die Anzahl der Neuaufnahmen für 2017 somit auf das Niveau von 2004 zurück.
Barrancos fürchtet, dass Argentinien angesichts dieser „beträchtlichen“ Kürzung die „Flucht von Wissen“ bevorstehe. Dieser Auffassung schließt sich Adrián Lutvak, Präsident des Universitätsverbundes von Buenos Aires (FUBA) an: „Die Konsequenzen sind schwerwiegend. Wir können uns als Land nicht weiterentwickeln, wenn die Wissenschaft über keine angemessenen Mittel verfügt.“ Lutvak appellierte darum an alle Forschenden, „sich zu erheben“. Erste Demonstrationen folgten am 6. Dezember auf dem Vorplatz der Medizinischen Fakultät in Buenos Aires.
Seither bilden Forscherinnen und Forscher im ganzen Land Gruppen, um sich der Sparpolitik der Regierungspartei PRO entgegenzusetzen. Vor allem viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler protestieren. In Buenos Aires hat sich beispielsweise die Gruppe CyT gebildet, die darauf aufmerksam macht, dass diese Kürzungen der Politik der letzten zwölf Jahre widersprechen und im Widerspruch zum Regierungsplan „Innovadora 2020“ stehen. Dieser hatte zum Ziel, bis 2020 pro tausend Beschäftigte fünf Forschende einzustellen. Demzufolge sollte das CONICET-Programm jährlich um zehn Prozent zulegen.
Obwohl seitens der Regierung von Präsident Mauricio Macri offiziell nichts angekündigt wurde, waren diese Kürzungen absehbar. Ende Oktober stimmte die Regierung einer Budget-Verkleinerung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr für die Bereiche Wissenschaft und Technik zu. Erst Anfang Dezember, nach einem Treffen mit dem argentinischen Präsident Macri, nahmen Wissenschafts- und Technologieminister Lino Barañao und Alejandro Ceccatto, Präsident des CONICET, Stellung dazu. Die Aufnahme von über 940 Personen im Vorjahr „befand sich außerhalb des Normalen“, „war sehr hoch“ und sei „ohne Kriterien“ erfolgt. Als weiteren Grund nannten die beiden den Fakt, dass es kein anderes Land gebe, welches bei einer Armutsquote von 30 Prozent die Anzahl der Forschenden erhöht.
Diese Aussagen erregten auch Aufsehen, weil Barañao bereits unter der vorgängigen Regierung von Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner im selben Amt war und deren Plan „Innovadora 2020“ öffentlich immer wieder verteidigt hatte. Für die Partei „Revolutionäre Linke“ ist dies das „Sahnehäubchen“ des Angriffs der Regierungspartei PRO auf die staatlichen Institutionen und vergleichbar mit den Massenentlassungen bei den Staatsangestellten Anfang des Jahres.
Von Richard Tillmann
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