Terrorplan erstmals als Akt einer kriminellen Vereinigung bewertet. 15 Verantwortliche verurteilt. US-Dokumente halfen entscheidend bei Aufklärung
Buenos Aires. In Argentinien sind am Freitag ranghohe Militärfunktionäre für Verbrechen im Rahmen der Geheimoperation „Condor“ in den 1970er und 1980er Jahre zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Bundesberufungsgericht I in Buenos Aires sprach fünfzehn Verantwortliche wegen verschiedener Verbrechen gegen die Menschheit schuldig. Erstmals in der Geschichte beurteilt ein Gericht die Absprache der damaligen Militär-Diktatoren in Südamerika zu grenzüberschreitender Verfolgung und Mord von politischen Gegnern als Akt einer kriminellen Vereinigung.
Angehörige von Opfern der „Operation Condor“ bei der Urteilsverkündung QUELLE: CIJ.GOV.AR |
In den vergangenen Jahren hat es vor allem in Argentinien immer wieder Verurteilungen ehemaliger Militärs gegeben. Neu ist aber, dass die Richter die verschiedenen Menschenrechtsverletzungen der Operation Comdor auch als Ergebnis eines kriminellen länderübergreifenden Netzwerks bewerten. Bisher wurden die Straftaten strikt einzeln behandelt, etwa wegen eines Mordes einer bestimmten Person. Erst im August will das Gericht ausführliche Hintergründe zu den Urteilen präsentieren. Dennoch erhielt jeder Beschuldigte schon jetzt seinen eigenen Richterspruch.
Unter den Verurteilten befinden sich auch wieder die argentinischen Generäle Santiago Omar Riveros und Reynaldo Benito Bignone (De-facto Präsident 1982-1983), deren Strafmaß in dem Urteil diesmal auf 25 und 20 Jahre festgelegt wurde. Der Uruguayer Juan Manuel Cordero Piacentini erhielt als einziger Ausländer eine 25-jährige Haftstrafe. Ebenso – als einziger anwesend bei Gericht und zum ersten Mal verurteilt – Miguel Angel Furci, der wegen Freiheitsberaubung in 67 Fällen und Folter in 62 Fällen schuldig gesprochen wurde. Für Oberst Humberto José Román Lobaiza betrug das Strafmaß 18 Jahre, für Vizeadmiral Antonio Vañek 13 Jahren. Federico Antonio Minicucci wurde zu acht Jahren verurteilt. Zwei Personen wurden freigesprochen. Aufgrund des hohen Alters werden die meist über 80-jährigen Verurteilten ihre Strafe in einem betreuten Gemeinschaftsgefängnis absitzen, wo viele Verurteilte, wie Riveros und Bignone, bereits seit Jahren Quartiere besitzen.
Bereits seit 2004 sind bei dem Berufungsgericht mehrere Klagen eingereicht worden, doch erst 2013 begann der Prozess. Zwischenzeitig stand die Verurteilung der anfangs 32 Beschuldigten gänzlich auf der Kippe, als 2013 Argentiniens Diktator General Jorge Rafael Videla (1976-1981) verstarb, auf den sich die Anklage vor allem stützte. Das Gericht änderte jedoch daraufhin die Anklageschriften dahingehend, dass Verstorbene und nicht verhandlungsfähige Personen ausgenommen wurden, um die Verhandlung dennoch fortsetzen zu können.
Dementsprechend erleichtert zeigten sich die Aktivistinnen der Menschenrechtsorganisation Mütter der Plaza de Mayo nach der Urteilsverkündung. Sprecherin Nora Cortiñas fügte aber auch hinzu: „Wir bedauern, dass viele Mütter und Väter fehlen, die während dieser Suche (nach den Verschwundenen) verstorben sind“. Der Friedensnobelpreisträger von 1980 für seinen Kampf gegen die Unterdrückung Videlas, Adolfo Pérez Esquivel, kommentierte bei Twitter, es gebe keinen Grund zu feiern, da „die Operation Condor niemals hätte passieren dürfen“. Für die Journalistin und chilenische Diplomatin Odette Magnet, die seit Jahrzehnten Details zu den Verbrechen in ihrer Heimat zusammenträgt, habe „man nun Gerechtigkeit erlangt“, doch „fehlt uns die Wahrheit“.
Die geheime Absprache der Operation Condor südamerikanischer Diktatoren zur systematischen Verfolgung, Folterung und Ermordung von „subversiven“ Personen kostete nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen etwa 50.000 Menschen das Leben. Etwa 400.000 sollen verhaftet worden sein, 35.000 gelten als verschwunden.